Ich setze mich für die Freiheit des ärztlichen Berufs und gegen Bevormundung von außen ein.

Unsere Fortbildung muss frei sein von finanziellen Interessen.

Ich will Ärztinnen und Ärzte wieder zusammenbringen, auch mit fachübergreifenden ethischen Themen.

Notfallversorgung, hausärztliche Versorgung, Spitzenmedizin, gesunde Lebensbedingungen, das sind Aufgaben für uns und für die Gesellschaft.

Die Qualität zählt, nicht der Status.

Entscheidungen müssen individuell im Kontakt mit dem einzelnen Patienten getroffen werden.

Gerade wenn wir neue Wege gehen, muss die Grundlage stabil sein.

Ich wünsche mir eine Berufsordnung, die noch klarer, noch einfacher ist. Sie soll die Berufsausübung, auch die Kooperation ermöglichen, nicht verhindern.

Als Bezirksbeirat der KV weiß ich, wo in der Praxis der Schuh drückt. Vom Aufsichtsrat unseres Klinikverbunds kenne ich die Situation der Krankenhausärzte.

Wir brauchen starke Verbände und den Blick fürs Ganze. Dafür trete ich an.

Ich trete für ein berufspolitisches Lager an: Die Ärzte.

Näher bei den Kolleginnen und Kollegen.

Ethik in der Medizin

Ethik? In der Medizin? Wozu? Wir machen doch sowieso nur, was medizinisch indiziert ist. Na gut, manchmal könnte es ein bisschen mehr sein. Aber dafür können wir ja nichts, das liegt an den Budgets. Die macht die Politik.

Medizingeschichte? Bruchschneider, Starstecher, Quacksalber, Ausübung der Heilkunde im Umherziehen – das sind doch Geschichten aus dem Mittelalter. Das bringt uns doch heute nicht weiter.

Ist es wirklich so einfach? Wir stehen als Ärztinnen und Ärzte in Deutschland in einer Tradition. Wir sind zu Recht stolz auf Namen wie Robert Koch, Rudolph von Virchow, Conrad Röntgen. Ebenfalls zu unserer Geschichte gehören die Morde an Behinderten, Zwangsterilisationen, eine Rechtfertigung von himmelschreiendem Unrecht durch pseudowissenschaftliche Schriften von Ärzten. Geschichte und Ethik sind sich hier ganz nah.

Nur ein Teil der Kollegen ist mit aktiver Sterbehilfe unmittelbar konfrontiert. Ganz wenige beraten Eltern von Kindern, die möglicherweise mit Missbildungen zur Welt kommen werden.

Aber konkret: Da kommt der nette Herr von der Krankenkasse in die Praxis. Früher hat er uns gesagt, wo wir die Diagnosen nicht schwerwiegend genug codiert hatten. Oft hatte er ja recht. Das darf er heute nicht mehr. Aber jetzt hält er uns eine Aufstellung unter die Nase, dass wir wieder mal das Heilmittelbudget überschritten haben. Auch wenn man den besonderen Versorgungsbedarf rausrechnet, liegen wir noch über dem Richtgrößenvolumen. Das kann gar nicht sein. Nie, das kann nicht stimmen. Wir schreiben doch gar keine Wellness-Leistungen wie Massage oder Fango auf! Aber trotzdem. Wenn er das sagt, wird es schon so sein.

Was also ist zu tun? Ein Regress ist lästig. Selbst wenn am Schluss nicht viel zu zahlen ist, das kostet Tage, Nächte, Wochenenden. Eine ganze Prüfindustrie seitens der Kassen hat nichts anderes zu tun, als zunächst automatisiert eben solches Fehlverhalten, solche Mittelverschwendung aufzudecken. Ganz egal, ob je ein Regressschreiben kommt, eines ist gewiss: Von Stund an bekommen die Patienten noch weniger Krankengymnastikrezepte. Das ist dann auch egal, wenn sie sich einen anderen Arzt suchen. Bevor wir die KG aus der eigenen Tasche bezahlen, verzichten wir lieber auf die Konsultationsgebühr. Das sind dann weniger Fälle, aber gleichzeitig weniger Ärger bei identischem Geld.

Was hat das mit Ethik zu tun? Ich will als Arzt meinen Patienten helfen. Ich muss dabei selbst gesund bleiben. Das ist im neuen Genfer Gelöbnis so festgeschrieben. Das gilt auch wirtschaftlich. Der Arzt, der vielleicht aus falsch verstandener Hilfsbereitschaft mehr verordnet, als die Gesellschaft solidarisch zu finanzieren bereit ist, wird schnell wirtschaftlich krank und kann am Schluss gar nicht mehr helfen. Wir kennen die Fälle der verbitterten Kollegen, die es – zutiefst ärztlich – immer allen recht machen wollten und denen nach Jahren noch Regresse die wirtschaftliche Grundlage entziehen. Die Entscheidung, ein KG-Rezept auszustellen oder zu verweigern, hat jedenfalls eine ethische Dimension.

Je schwerwiegender die Folgen, desto schwieriger die Entscheidung. Eine Prothese bei einem betagten Patienten? Gut für die Klinik, für die Zahlen, gut für den Patienten, der weniger Schmerzen hat, gut für den OP-Katalog der Weiterbildungsassistenten. Wirklich so gut? Bei zahlreichen Begleiterkrankungen ist der Patient vielleicht heute schon erheblich eingeschränkt, führt kaum ein selbstbestimmtes Leben, wird nach der OP möglicherweise nicht mehr nach Hause kommen, sondern ins Pflegeheim. Für die Kosten einer Hüftprothese könnte man jahrelang physikalische Therapie finanzieren. Aber die ist ja budgetiert im Gegensatz zur Hüftprothese. Für die stationären Fälle ist der freundliche Herr von der Krankenkasse, der uns in der Praxis besucht, ja nicht zuständig. Und wir sind es auch nicht.

Jeder findet in seinem Bereich teils banale, teils schwerwiegende Beispiele für solche Konflikte. Dafür gibt es kein Patentrezept. Bereits das Bewusstsein um das Problem ist ein Schritt in eine gute Richtung für Patienten und Ärzte.

Zur Geschichte: Wer ein Erbe antritt, übernimmt den Nachlass und die Verpflichtungen daraus. Wir haben das Privileg, Medizin auf einem hohen Niveau erlernt zu haben, und dürfen nach der besten Lösung fragen. Wir dürfen und müssen uns zu Wort melden, wo wir Unrecht erkennen. Viele Kolleginnen und Kollegen engagieren sich international in Krisengebieten, teils unter gefährlichen Bedingungen. Aber auch für uns „Daheimgebliebene“ gilt die Verpflichtung, das Gespür für Unrecht zu erhalten, das Andenken an die Verbrechen wachzuhalten, auch und gerade an die Verbrechen der Ärzte. Nur dann steht es uns zu, uns heute auch politisch zu Wort zu melden.

In der AG NS-Vergangenheit bei der BÄK NW haben Kolleginnen und Kollegen zehn Jahre lang die Situation der Ärzte 1933 bis 1945 beleuchtet, teil als ganz normale Kollegen, die unter schwierigen Bedingungen ihren Beruf ausgeübt haben, aber auch als Mitbegründer einer menschenverachtenden Ideologie und schließlich als Verbrecher und Mörder, ebenso auch als Verfolgte und Opfer. Auf Initiative von Dr. Clever hat die Landesärztekammer diese Arbeit zusammen mit ähnlichen Initiativen aus dem ganzen Land in den größeren Rahmen des Arbeitskreises Ethik und Geschichte der Medizin gestellt und eine historische Aufarbeitung der Geschichte unserer Landesärztekammer von 1920 bis 1960 in Auftrag gegeben. Ein Projekt, von dem die Kolleginnen und Kollegen noch profitieren werden, wenn die heute Aktiven längst abgetreten sind.

In den Kliniken im Land, in der ambulanten Palliativversorgung treffen sich Ärzte regelmäßig zu Ethikkonsilen, die Kammer begleitet dieses wichtige Thema auf dem jährlichen Medizinkongress und mit Veranstaltungsreihen wie den Degerlocher Ethikgesprächen. Darüber hinaus nehmen sich gerade die Kreisärzteschaften der fachübergreifenden ärztlichen Themen an, ob in Schwäbisch Hall oder in Esslingen: Ethische Themen bringen die Kollegen in Klinik und Praxis zusammen.

Die Ethik und die Geschichte der Medizin sind neben der tagesaktuellen Berufspolitik, neben unserem Verwaltungshandeln eine Daueraufgabe der Kammer.